Wie erforscht man ein Allergen?

Peter Stoll vom Forschungszentrum Molecular Biotechnology hat einen wissenschaftlichen Meilenstein erreicht. Er hat das Oktopus-Hauptallergen identifiziert und genau charakterisiert. Dieses Allergen mit dem Namen Oct v1 wurde nun offiziell in die internationale Allergennomenklatur aufgenommen.

Herr Stoll, wie sind Sie auf das neue Oktopus-Allergen gestoßen? 

Peter Stoll: Meine Dissertation beschäftigt sich mit allergischen Reaktionen auf Tropomyosine, das sind Muskeleiweiße, die vor allem in Schalentieren wie Garnelen, Krabben und Hummer als Allergene vorkommen. Wir haben uns zuerst mit bereits gut untersuchten Meeresfrüchten wie Shrimps und Austern beschäftigt. Danach wollten wir über den Tellerrand schauen und Allergenquellen erforschen, über deren Allergene noch weniger bekannt ist.

Die Oktopus-Allergenforschung ist eigentlich dadurch entstanden, dass Ines Swoboda, die Leiterin unseres Forschungszentrums, eine Anfrage zum Thema Oktopus-Allergien erhalten hat. Oktopus, also die Spezies Octopus vulgaris, ist derzeit als Allergenquelle noch wenig erforscht. Der nächste Schritt war es, herauszufinden, woher ich die Patient*innen bzw. deren Seren bekomme. Da hatten wir Glück, denn wir haben gute Kontakte zum Floridsdorfer Allergiezentrum und dort gab es Blutproben von Patient*innen, die auf Oktopus allergisch reagiert hatten. 

Mit welchen Symptomen haben Patient*innen auf den Oktopus reagiert? 

Mit klassischen allergischen Hautreaktionen - Urtikaria und Angioödem.  Urtikaria äußert sich durch juckende Quaddeln, die meist innerhalb von 24 Stunden wieder verschwinden. Ein Angioödem ist eine tiefere, oft schmerzhaftere Schwellung, die länger anhalten kann.

Die Oktopus-Allergenforschung ist eigentlich dadurch entstanden, dass Ines Swoboda, die Leiterin unseres Forschungszentrums, eine Anfrage zum Thema Oktopus-Allergien erhalten hat.

Peter Stoll, MSc

Researcher an der HCW

Es ist für Sie als Forscher sicher eine große Ehre, mit dem von Ihnen erforschten Allergen Oct v 1 in die internationale Allergennomenklatur aufgenommen zu werden.

Ja, die International Union of Immunological Societies (IUIS) hat das neu identifizierte Nahrungsmittelallergen Oct v 1 offiziell in ihre internationale Allergennomenklatur aufgenommen. Das Besondere an dieser Nomenklatur von Allergenen ist, dass sie von der Weltgesundheitsorganisation WHO akzeptiert wird. Daher sind auch die Aufnahmekriterien sehr streng. 

Kann man sich die internationale Allergennomenklatur als Nachschlagewerk für Immunolog*innen vorstellen? 

Ja. Als wir auf das Oktopus Thema gestoßen sind, haben wir gleich auf der Internetseite der Nomenklatur nachgeschaut, ob Oktopus-Allergene bereits gelistet sind. Wenn man dort nichts findet, bedeutet es zwar nicht zwingend, dass an einem Thema noch niemand geforscht hat, aber zumindest, dass noch niemand offiziell ein Allergen dort eingereicht hat. Daher sind auch die Aufnahmekriterien sehr streng.

Mit der Registrierung des Oktopus-Allergens ist jetzt sichergestellt, dass Sie das neue Molekül entdeckt haben. Es kann jetzt niemand kommen und sagen, ich habe das auch entdeckt?

Nein, das geht nicht mehr. Das Einzige, was passieren kann, ist, dass mein Eintrag modifiziert wird. 

Haben Sie das Oktopus-Allergen schon wissenschaftlich publiziert?

Ich arbeite derzeit an Publikationen – ebenfalls im Bereich der Tropomyosine. Was das Oktopus Allergen betrifft, gibt es jetzt den Eintrag in der Allergennomenklatur, aber noch keine Publikation. Aber eine Publikation ist natürlich geplant. 

Wie viele Menschen leiden an einer Meeresfrüchteallergie?

Es gibt geografisch einige Unterschiede zwischen Küstenregionen und Festland. An der Küste ist die Allergiequote höher, weil die Menschen öfter Meeresfrüchte essen. Insgesamt spricht man davon, dass ungefähr 1,5 bis 2,5 % der Bevölkerung von einer Meeresfrüchteallergie betroffen sind. 

Was ist Ihr nächstes Forschungsthema?

Neben der Meeresfrüchteallergie arbeite ich an einer Publikation über Allergien gegen essbare Insekten. Da Insekten nach und nach auch in Mitteleuropa als Nahrungsmittel zugelassen werden, habe ich mich die letzten eineinhalb Jahre fast ausschließlich dieser noch wenig erforschten Allergenquellegewidmet.